Aus der Reihe Geh Denken!: Who cares? Frauen und Männer im spanischen Bürgerkrieg

Dienstag, 21. November 2023, 19:00 Uhr, Depot – Kunst und Diskussion (Breite Gasse 3, 1070 Wien)

 

Hunderte Kilometer voneinander entfernt verabschiedeten zwei Väter im Sommer 1936 ihre Töchter mit ähnlichen Worten in den spanischen Bürgerkrieg: Sie selbst seien zu alt, könnten nicht mehr kämpfen, sollten doch ihre Töchter sich freiwillig melden. Beide wurden Kriegskrankenpflegerinnen, die eine für die franquistische Armee, die andere für die Volksarmee der Zweiten Republik Spaniens. Erstere verstand sich als Katholikin, Karlistin, konservativ und strebte eine Karriere als Ehefrau und Mutter an. Zweitere war Sozialistin und träumte vom Medizinstudium.

 

Ihre Biografien spiegeln paradigmatisch die spanische Gesellschaft und ihre Krisen in den 1930er und 1940er Jahren: Von der Gründung der Republik, die sich moderner Familien- und Geschlechterpolitik verschrieb, zu einem Bürgerkrieg und schließlich einer ultranationalistischen Diktatur, die komplementäre Geschlechterrollen propagierte. Fragen zum Verhältnis von Staat und Gesellschaft wurden so in einer bis dahin ungekannten Intensität aufgeworfen und verhandelt. Die Geschichten dieser beiden Frauen stehen jedoch auch exemplarisch für die größeren Trends der europäischen Zwischenkriegszeit. Denn nicht nur Spanien stand am Scheideweg, Europa auch.

 

Katharina Seibert ist Historikerin an der Universität Tübingen. Der Vortrag beruht auf ihrer Dissertation, Who cares? : negotiating society and gender at Spain’s sickbeds during the 1930s and 1940s, welche sie an der Universität Wien schrieb.