Stellungnahme zu rechtsextrem durchsetzten Bewegungen gegen die Corona-Maßnahmen

Es bereitet uns große Sorgen, dass sich verschiedene rechtsextreme und faschistoide Gruppen in einer Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung gefunden haben. Erste Gehversuche der Bewegung gab es bereits im Frühling letzten Jahres, in den letzten Monaten wurde mehrfach über die Präsenz berüchtigter Neonazis und rechtsextremer Burschenschafter bei diesen Demonstrationen und sogenannten ‘Spaziergängen’ berichtet.

 

Es sei gleich festgehalten, dass Kritik an Regierungen als wesentlicher Bestandteil einer solidarischen Zivilgesellschaft immer möglich sein muss. Kritik ist aber nicht gleich ‘Kritik’. Die Akteurinnen*Akteure der Bewegung verwenden Verschwörungserzählungen – sie verharmlosen die Gefahr, die von Corona ausgeht, sprechen von der Einschränkung von Freiheiten durch eine vermeintliche ‘Corona-Diktatur’; sie behaupten, dass die Pandemie von imaginierten ‚Eliten‘ geplant gewesen sei und dass die Gesellschaft ‘von Oben’ umgebaut werde. Die Argumentationen sind zusätzlich von antisemitischen Narrativen durchzogen und knüpfen an eine lang bestehende, verkürzte Kapitalismuskritik an. Die von der Bewegung geforderte ‘Freiheit’ bedeutet eine unsolidarische Freiheit des Individuums in der Gesellschaft und auf dem Markt: Alle sollen ohne Rücksicht auf andere machen dürfen, was sie wollen. Wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts immer wieder gezeigt hat, scheint auch jetzt der Egoismus und die Furcht einer bürgerlichen Mittelschicht vor einem ökonomischen Absturz Antrieb für eine rechtsextreme Bewegung zu sein. Wichtige Probleme, wie die schlechten Arbeits- und Hygienebedingungen für Arbeiter*innen, oder die durch Corona deutlicher gewordenen, kapitalistisch bedingten, sozioökonomischen Ungleichheiten werden von der sogenannten ‘Kritik’ der Bewegung gar nicht erst angesprochen. Verschwörungsmythen und antisemitische Äußerungen dürfen nicht Eingang finden in eine demokratisch geführte, offene Diskussion über real existierende Probleme. Sie bedienen lediglich die Interessen ihrer Akteurinnen*Akteure und sind schlimmstenfalls Türöffner für Zivilisationsbrüche.

 

Vor diesem Hintergrund ist der widersprüchliche Umgang der Bewegung mit historischen Narrativen blanker Zynismus – konkret muss auf die Projektion rechtsextremer Ideologie auf die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus hingewiesen werden. Neben religiösen, vor allem christlichen Symbolen und den bereits genannten antisemitischen Narrativen werden auch vermeintlich historische Vergleiche gezogen. Bei zahlreichen Demonstrationen fand in den unterschiedlichsten Formen Holocaustverharmlosung statt. Beispielsweise stilisieren sich Teilnehmer*innen als Opfer der imaginierten Corona-Diktatur, indem sie den sogenannten ’gelben Stern’ tragen. Außerdem inszenieren sich Demonstrantinnen*Demonstranten als Widerstandskämpfer*innen und vergleichen sich mit Personen, die während des Nationalsozialismus gegen Faschismus und Krieg Widerstand geleistet haben. Die Erinnerung an tatsächliche nationalsozialistische Verbrechen wird dabei aufs Äußerste missbraucht. Die aktuelle Situation ist nicht einmal annähernd vergleichbar mit der Lebensrealität von Menschen, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgungspolitik wurden. Wir kritisieren jegliche verzerrende und ahistorische Verwendung politischer, religiöser, historischer Symbole und Zeichen.

 

Umgangssprachlich wird die Bewegung häufig mit dem verniedlichenden Begriff ‘Schwurbler*innen’ versehen – dies ist symptomatisch für den verharmlosenden Umgang, den große Teile der österreichischen Mehrheitsgesellschaft suchen, um vor allem die verschwörungsideologischen Elemente der Bewegung als ‘Geschwurble’ abzutun. Sich über rechtsextreme Ideologie lustig zu machen, hat leider noch nie geholfen. Sie ist zu gefährlich, um nicht ernst genommen zu werden. Die Kombination aus unreflektierter Gesellschaftskritik, problematischem Geschichtsrevisionismus und rechter Ideologie hat bereits dazu geführt, dass auf Worte Taten folgten: Vermehrt kam es zu tätlichen Angriffen gegen Journalistinnen*Journalisten, antifaschistische Aktivistinnen*Aktivisten und auch gegen die Polizei. Im Umfeld der Aktivitäten der Bewegung wurden mehrfach antisemitische Nachrichten in den öffentlichen Raum geschmiert.

 

Wenig überraschend ist übrigens die Rolle, die Funktionärinnen*Funktionäre der FPÖ in dieser Angelegenheit spielen. Die Partei hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer völkischen und rassistischen Partei entwickelt. Ihr NR-Klubobmann, Herbert Kickl, trat bereits als Redner bei den Demonstrationen auf. Die Partei solidarisiert sich also mit der Bewegung und bestärkt sie zudem. Nicht hilfreich ist dabei das Verhalten der Bundesregierung. Sie hat es seit Beginn der Demonstrationen nicht geschafft, sich entschieden gegen die Bewegung zu positionieren und den Ernst der Lage anzuerkennen.

 

Morgen ist der 8. Mai, der Tag der Befreiung. Wir feiern die Niederlage des Nationalsozialismus und gedenken seiner Opfer. Er erinnert uns daran, dass es an keinem Tag zulässig ist, Faschistinnen*Faschisten marschieren zu lassen. So kann es nicht weitergehen. Je länger dazu geschwiegen wird, desto selbstbewusster und dreister wird die neue Rechte. Wir fordern die Zivilgesellschaft und alle demokratischen Parteien und Organisationen dazu auf, sich gegen diese Bewegung zu positionieren und zu organisieren. Überlasst ihnen nicht die Straßen.

 

Kein Fußbreit dem Faschismus!

 

Ein Statement in Kooperation mit der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innenschaft, dem Mauthausen Komitee Österreich, SOS Mitmensch, der Studierendenvertretung Judaistik der Universität Wien und Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit.